Die Dorfkirche Alt-Tegel
Mehr als 100 Jahre
Wer seinen Weg zum Tegeler See durch die alte Dorfaue von Alt-Tegel nimmt, wird sicher den Blick auch auf die von schönen alten Bäumen umgebene evangelische Kirche richten. Am 19. Januar 1912 wurde hier, in der evangelischen Kirche, der erste Gottesdienst gehalten. Darüber sind nun 100 Jahre vergangen.
Wenn wir auf die über 700 Jahre alten Dorfkirchen des Kirchenkreises Reinickendorf – Alt-Wittenau und Alt-Reinickendorf – schauen, dann ist dieses Kirchengebäude noch sehr jung. Man ist erstaunt zu erfahren, dass der an die altsächsischen Kirchenkastelle erinnernde Gesamtbau erst im Jahre 1911 entstand. Dieser Kirchenbau ist der vierte an derselben Stelle, einem germanischen und später wendischen Urnenfriedhof. Daraus dürfen wir den Schluss ziehen, dass der Tegeler Kirchplatz bereits in vorchristlicher Zeit Kultstätte war.
Einen kleinen Eindruck von dem geschichtlichen Werdegang und dem Alter der Gemeinde vermittelt uns das Kirchensiegel, das die Jahreszahl 1238 trägt. Auf dieses Jahr geht die erste urkundliche Erwähnung von Tegel zurück.
Die kirchlichen Körperschaften beschlossen am 2. Juli 1909 den Abriss der alten Kirche und den Bau einer neuen Kirche auf demselben Platz. Dieser Beschluss wurde gefasst, weil bei 15.000 Gemeindegliedern die vorhandenen 200 Sitzplätze der bestehenden Kirche nicht ausreichten. Am 26. März 1911 wurde der Abschiedsgottesdienst gehalten. Am Himmelfahrtstag, dem 25. Mai 1911, erfolgte die Grundsteinlegung für den Neubau. Bereits Ende September 1911 war der Rohbau der neuen Kirche fertig, so dass nach Durchführung der Innenarbeiten die Kirche am Freitag, den 19. Januar 1912 in einem Einweihungsgottesdienst durch Herrn Generalsuperintendent Haendler ihrer Bestimmung übergeben werden konnte. Die Kirche wurde nach den Entwürfen des Kaiserlichen Baurats Jürgen Kroeger gebaut. Sie hat eine Länge von 37 Metern und eine Breite von 18 Metern. Der Turm ist 31 Meter hoch. Die Kirche ist ein im romanischen Stil gehaltener, außen geputzter, gedrungener, einfacher, aber schmuckvoller Backsteinbau. An der Westseite erhebt sich der Turm mit Satteldach und kupferner Kuppel. Der Gesamtbau erinnert an die altsächsischen Kirchenkastelle. Auf der Ostseite bildet die Apsis mit mehreren Abstufungen den Abschluss.
Die Kirche hat in ihren 100 Lebensjahren zwei Weltkriege überstehen müssen, die an dem Gotteshaus manche Spuren hinterlassen haben. So mussten im 1. Weltkrieg die Zinnpfeifen der Orgel abgeliefert werden, das Reich brauchte das Metall für die Rüstung. Auch von den beim Neubau der Kirche gestifteten Bronzeglocken mussten die beiden größeren abgeliefert werden. Im Jahr 1936 wurde die Kirche neu verputzt und das Dach erneuert. Im zweiten Weltkrieg konnte die Kirche und auch das Gemeindehaus nicht mehr für Gottesdienste benutzt werden. In dieser Zeit stand der Gemeinde als einzige Predigtstätte die Aula der Gabriele von Bülow Schule zur Verfügung. Auch die katholische Kirchengemeinde am Brunowplatz öffnete ihr Gotteshaus für evangelische Gottesdienste. Nach Beseitigung der äußeren Schäden konnte die Kirche am 13. November 1960 in einem Festgottesdienst wieder ihrer Bestimmung übergeben werden.
In dieser Zeit wurde die Kirche auch innen völlig renoviert. Es wurde eine neue Orgel in Auftrag gegeben, die von der Firma Detlef Kleuker aus Brackwede/Westfalen erbaut wurde. Nach Entwürfen des Graphikers Sigmund Hahn wurde im Jahr 1962 mit der Neuverglasung der Kirchenfenster begonnen. Ausgeführt wurden die Arbeiten von der Firma August Wagner, Vereinigte Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei. Zum 75. Kirchweihfest am 19. Januar 1987 wurde der Innenraum der Kirche erneut renoviert. Die ehemals kühlen Farben wurden durch die warmen Farben, wie wir sie noch heute sehen, ersetzt.
Am 19. Januar 2012 und am 22. Januar 2012 feierten wir anlässlich der 100. Wiederkehr der Weihe unserer Kirche Gottesdienste. Am 19. Januar wurde aus der neuen Chronik "Geschichte und Leben unserer Evangelischen Kirche Alt-Tegel gelesen, die von Joachim Heyer zusammengestellt und geschrieben worden ist. Am 22. Januar war Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein zu Gast und hielt der zahlreich erschienenen Gottesdienstgemeinde die Predigt zu dem Wort aus Psalm 106: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich. Auch über Grußworte unserer Superintendentin Beate Hornschuh-Böhm und dem stellvertretenden Bezirksbürgermeister Andreas Höhne durften wir uns freuen. Ein Genuss war bei beiden Gottesdiensten die Musik, die vom Kreuzberger Kammerchor unter der Leitung von Marcell Armbrecht, sowie Tobias Berndt (Orgel) und Anne-Kathrin Weiche (Violine) dargeboten wurde.
Im Jahre 1965 wurden die oberen 12 Fenster der Seitenschiffe ebenfalls nach Entwürfen des Graphikers Siegmund Hahn von der Firma Wagner hergestellt. Auch sie bestehen aus gewischten und gebrannten Echt-Antik-Gläsern in Bleiverglasung ohne bildliche Darstellung. Nachdem die Fenster durch Steineinwürfe und Einbruch Schaden erlitten haben, wurden sie im Jahre 1975 besonders gesichert durch Vorsatz von Sicherheitsglasfenstern.
Wir betreten die Kirche durch die kunstvoll aus Bronze gestalteten Flügeltüren des Hauptportals und befinden uns in der Turmhalle. Sie ist ein rechteckiger, schlicht gehaltener Raum. In der rechten und linken Schmalseite befinden sich die Türen zu den Emporen. Hier hängen zwei große Holztafeln mit den Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindeglieder. In der linken Turmhallenwand, die die innere Grundmauer des Turmes ist, befindet sich der Grundstein. Die in ihm eingemauerte, kupferne Kapsel enthält, wie es in dem entsprechenden Sitzungsbericht des Gemeindekirchenrates heißt: „Die Stiftungsurkunde, einen Band Kirchenakten, einen Band ortsgeschichtlicher Akten, zwei Ortspläne, ein Tegeler Adreßbuch, ein Festprogramm und Einladung, Protokoll der Kirchengemeindeorgane über den geplanten Ablauf der Feier zur Grundsteinlegung, mehrere Tageszeitungen und Ansichtskarten der alten und der neuen Kirche.“
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