02/07/2024 0 Kommentare
Durchscheinend
Durchscheinend
# Pfarrer Domanski meint ...
Durchscheinend
Manchmal wird das Leben durchscheinend für Gott. Es gewinnt an Klarheit, Schönheit und Tiefe. Menschen, die nicht religiös sind, würden das vermutlich nicht so nennen, aber auch sie kennen die Erfahrung. Wir bekommen ein Gespür dafür, wie wir ursprünglich gedacht sind. Wir können spüren, dass wir geliebt sind. Spüren, dass das Leben gut ist und schön, auch wenn die äußeren Umstände eigentlich keinen Anlass dazu geben.
Oft kommt diese Erfahrung unverhofft und wir können sie nur schwer in Worte fassen. Ich weiß noch genau, in welchem Bus ich saß und was ich gelesen habe, als es das erste Mal passierte. Es war eines der Gebete aus der Bibel, der 103 Psalm. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Den ganzen Psalm finden Sie, wenn Sie Ihre Bibel genau in der Mitte aufschlagen. Mir wurde schlagartig bewusst, dass das nicht nur ein altes Gebet ist, dass vor 2500 Jahren geschrieben wurde – sondern, dass es für mich ist, für mich persönlich. Und dass alles gut ist. Das war ein unbeschreibliches Gefühl.
Immer wieder machen Menschen diese Erfahrung – beim Lesen biblischer Texte, bei der Geburt eines Kindes oder an Stellen, an denen sie es am wenigsten erwarten. Manche Menschen müssen erst sehr krank werden, bevor der Schleier zerreißt und sie spüren, dass im Leben etwas Anderes zählt und trägt als dass, was sie immer dachten.
Diese Erfahrung erklärt nichts. Sie beantwortet nicht die Frage, warum es soviel Leid auf der Welt gibt. Aber sie gibt Kraft, dem Leid ins Auge zu blicken. Angst macht eng. Wer jedoch die Erfahrung gemacht hat, dass er gewollt und geliebt ist, dem fällt es leichter, auf andere zuzugehen und auch mit Schwerem umzugehen.
Manchmal wird das Leben durchscheinend für Gott. Alles wird weit, zu lieben wird leicht und wir bekommen eine Ahnung, wie Gott sich das gedacht hat mit uns, den andern und dem Leben.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Osterzeit.
Pfr. Jean-Otto Domanski
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