Strohstern

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# Pfarrerin Gorgas denkt ...

Strohstern

Wir wollen ihn Nathanael nennen. Das ist ein schöner Name für einen kleinen Hirtenjungen, er bedeutet: Gott hat gegeben oder auch einfach: Gottesgeschenk.

Wir wollen Nathanael durch seine Geschichte begleiten und uns hineinnehmen lassen in die wunderbaren Ereignisse, die einst in Bethlehem geschahen und einst in unserem Leben wieder geschehen werden, denn der HERR der Welt schenkt immer neu, von Ewigkeit zu Ewigkeit, von Generation zu Generation.

Nathanael gehört zu den Hirten. Er lebt mit den Hütern des Lebens, er lauscht ihren Erzählungen. Er hört vom Hirtenjungen David, der ein König wurde. Er singt das Lied vom guten Hirten, der es an nichts mangeln lässt und selbst das Tal des Todes mit durchschreitet. Nathanael ist ein Kind und versteht wie ein Kind. Manches versteht er nicht, und wenn er fragt, bekommt er oft genug zu hören, dafür sei er noch zu klein. Er solle nur abwarten und erst einmal großwerden. Aber was heißt das schon „großwerden“? Nathanael ist da nicht so sicher. Also lässt er es gut sein und die Erwachsenen in Ruhe. Er geht zu seinem Lieblingsplatz, sein Lager aus Heu und Stroh. Da ist er ganz nah am Erdboden und zugleich ganz weit weg. Er kann liegen und in den Himmel schauen. Dieses Licht über ihm ist so voller Geheimnisse. Nathanael kann die Sterne nicht zählen, niemand kann das, bis heute nicht.

Und so liegt der kleine Nathanael, auch in dieser Nacht, auf dem Boden der Tatsachen, zugleich mitten im Himmel. Und dann hört er den Gesang, und dann weiß dieses Kind, dass da die Boten GOTTes sind. Ganz klar, das müssen Engel sein. Niemand sonst kann den Zusammenhang von Himmel und Erde schöner singen und sagen:

„Ehre sei GOTT in der Höhe und Friede auf Erden“.

Oben und unten, aufgehoben, hinaufgetragen in die Höhen des Daseins, geerdet in Fleisch und Blut eines jeden Menschenkindes. Nathanael begreift. Begreift, wie nur ein Kind begreifen kann. Mit dieser Nacht ist alles anders. Gottes Botschafter sind ganz nah. Mit ihrer Deutung der Welt:

Ein Kind ist geboren. Es liegt in einer Futterkrippe und ist in Windeln gewickelt. Das ist nicht so schwer zu verstehen. Es ist doch ganz klar, was zu tun ist. Hingehen und nachschauen. Gottes Welt anschauen. Mit den eigene Augen. Es ist mehr zwischen Himmel und Erde, als wir uns denken können. Warum sollte die Welt nicht in einer Krippe liegen? Warum sollte GOTTes Weg zu den Menschen nicht ein Kind sein?

Und dann steht Nathanael an der Krippe. Nathanael staunt. Wie winzig alles ist. Er kommt sich unendlich groß vor. Fast schon erwachsen. Er denkt auch ein bisschen so. Vernünftig, strukturiert, planend. Ein Kind ist da, Geschenke müssen her. Was braucht ein Menschenkind? Logisch: Nahrung und Kleidung, Milch und Wolle. Was man eben so hat im eigenen Leben. Das gibt man an die Kinder weiter. Es können auch Gold, Weihrauch und Myrrhe sein. Durchaus.

Nathanael hat nichts dergleichen. Er ist ja noch ein Kind. Traurig macht sich der kleine Hirtenjunge auf den Rückweg. Traurig bettet er sich auf seinen Lieblingsplatz. Sein Blick wandert zu den Sternen, in seine Hände schiebt sich das Stroh. Himmel und Erde. Oben und unten. Nathanael, das kleine Menschenkind aus der großen Familie der Suchenden und Schenkenden, weiß jetzt, was zu tun ist. Handwerk und Herz, Leben und Liebe sind gefragt und ihm doch auch geschenkt.

Nathanael formt einen Stern. Halm für Halm, breit gefächert, fest gehalten in der Mitte. So soll das Leben sein. Gegründet, bewahrt, mit viel Platz für das Licht, mit genug Raum zum Atmen und Staunen.

Ein Stern aus Stroh. Aus dem Himmel geholt, auf Erden geschaffen. Schöpfung.

Und noch einmal macht sich Nathanael auf zur Krippe. Sein Geschenk ist mit Wegen verbunden, hin und zurück, wieder Aufbruch, wieder Licht und Dunkelheit.

Nathanael geht und kommt neu an. Das Kind in der Krippe wartet auf sein Geschenk. Ein Stern aus Stroh. Eine ganze Welt. Ja, GOTT hat gegeben. Anders, als wir es uns denken.

ER, der Schöpfer des Himmels und der Erde, kommt zur Welt. Ein Kind auf Heu und Stroh. Ein Menschenkind, das großwerden wird im Licht der Welt. Es wird mit seinen ausgebreiteten Armen alle Welt in ihrer Schönheit und mit all ihren Tränen umfangen. Die Geschichte von Jesus, dem Christus, wird Geschichte machen. Einst. Und sie wird immer wieder dazu ermutigen, Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel die Geschichte vom ersten Strohstern und dem kleinen Hirtenjungen. Wir wollen ihn Nathanael nennen. Gottesgeschenk.

Pfarrerin Barbara Gorgas

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