Gut gebrieft

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# Aus der Gemeinde ...

Gut gebrieft

„Der Löwe konnte nicht schreiben. Aber das störte den Löwen nicht, denn der Löwe konnte brüllen und Zähne zeigen. Und mehr brauchte der Löwe nicht.“

Gut gebrüllt, lieber Löwe, möchte mensch meinen und was für ein toller Anfang eines der klügsten Bücher für jüngere und ältere Menschenkinder. Eigentlich ist alles in Ordnung, die Welt des Löwen, die Welt überhaupt. Wenn, ja wenn da nicht die Liebe wäre, diese Himmelsmacht, dieses sich ewig wiederholende Zusammenspiel von Sinn und Sinnlichkeit, von Stolz und Vorurteil, von göttlicher Hilflosigkeit und weltveränderdem Gefühl. Wenn die Liebe nicht wäre, dann hätte der Löwe keine Schmetterlinge im Bauch, sondern…

Aber die Liebe ist, was sie ist, und eine Löwin ist eine Löwin. Und der Löwe verliebt sich und die Löwin liest. Ergo, so die Löwenlogik, eine Löwin, die liest, ist eine Dame und einer Dame müssen Briefe geschrieben werden, bevor geküsst wird. Immer schön der Reihe nach. Viel verlangt von einem Löwen, aber was tut Löwe nicht alles. Für die Liebe und für seine Angebetete. Vielleicht singt er sogar das Lied von Anbetung und Macht und Liebe, wer weiß.

Im Buch jedenfalls geht der Löwe los, aber statt sich briefen zu lassen, sprich, sich gescheit unterweisen zu lassen in Minnesang und anderen Liebeskünsten, demonstriert er seine Macht und versteckt so seine Unsicherheit. Das war schon immer so. Warum sollte es beim verliebten Löwen anders sein? Also müssen die andern ran: Affe und Nilpferd, Mistkäfer und Giraffe, die leider vom Krokodil gefressen wird, und schlussendlich der Geier. Alle müssen für den Löwen einen Brief schreiben. Einen Liebesbrief, versteht sich. Und klar, das geht schief. Niemand kann für einen anderen einen Liebesbrief schreiben oder gar denken. Denn: „Die Sprache der Liebe ist leis´, aber du kannst sie hören.“ Es geht immer um das DU in der Liebe, es geht immer um den eigenen Augen-Blick, der den anderen schön werden lässt, wenn er vom Liebenden angeblickt wird. Eigentlich ganz einfach und es sind auch gar nicht so viele Briefings vonnöten ­– wenn, ja wenn da nicht die Liebe wäre, die eben doch immer eigene Wege geht. Überraschend, spannend, tragisch, komisch, wunderbar seltsam.

Und so lehrt die Liebe selbst den Löwen das Lieben. Nachdem alle seine Versuche gescheitert sind, seine Liebe durch die Worte anderer auszudrücken, nachdem er immer lauter brüllen musste: „Das hätte ich doch nie geschrieben“, nachdem er alle anderen Briefe, in denen von Affenkram und Mistkäferparfüm die Rede ist, zerrissen hat, stupst ihn die Liebe zärtlich an. Die Löwin ist längst da, so wie die Liebe immer schon da ist, bevor wir es merken. Die Liebe ist immer schneller als wir und sie bleibt, wenn wir bleiben wollen. Das macht Arbeit und ist federleicht. Es braucht ein gutes Briefing und mit einem Blumenstrauß zum Valentinstag ist es nicht getan.  Aber kein Blumenstrauß zum Valentinstag ist auch keine Lösung. Wie gesagt, es macht Arbeit und es ist federleicht. Ein Wunder eben, kompliziert und ganz einfach.

Am Ende des Buches sind Löwin und Löwe zu sehen, wie sie gemeinsam in ein offenes Buch schauen. Und der Löwe schreibt ein „A“, wie Anfang. Ohne Anfang geht es nicht. Auch in der Liebe nicht. Aber unser Anfang ist ja längst gemacht. Von GOTT, der die Liebe ist. Und weil wir leben und lieben dürfen, geht die Liebe mit. Überallhin. Oder, wie es der Apostel Paulus, der die Gemeinde in Korinth vor langer Zeit gut gebrieft hat, in einem seiner Briefe formulierte:

„Ihr seid ein Brief Christi, nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes.“ (2. Korinther 3,3)

Ein Wunder – kompliziert und ganz einfach.

Bleiben Sie gut gebrieft!

Ihre
Pfarrerin Barbara Gorgas

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