Herr, lass mir deine Barmherzigkeit widerfahren, dass ich lebe.
(Psalm 119:77)

Damals, als ich Konfirmandin war, sollte sich jeder von uns einen Psalm aussuchen und ihn auswendig lernen. Niemand entschied sich, soweit ich mich erinnern kann, für den Psalm 119. Er ist der längste der 150 Psalmen und hat 176 Verse. Da war der Psalm 117 mit seinen 2 Versen für uns doch um einiges attraktiver.

Im Psalm 119 geht es, 176 Verse lang und in immer neuen Variationen, um das Wort Gottes. Es geht um seine Schönheit und Kostbarkeit und dass man nur gewinnen kann, wenn man „Tag und Nacht“ über es „nachsinnt.“

Aber in dieser Liebe zum Wort Gottes sieht sich der Beter nicht verstanden; er wird verspottet und verleumdet. Das treibt ihn wiederum zurück in Gottes Arme. „Herr, lass mir deine Barmherzigkeit widerfahren!“ ruft er. „Ich kann ohne sie nicht leben, ich brauche dich!“

Schon gestern war in der Tageslosung aus dem Buch Nehemia von Gottes Barmherzigkeit die Rede. Sie wird uns noch öfter in den Losungen begegnen, denn sie wird in der Bibel mehr als 250mal erwähnt. Diese Barmherzigkeit, diese freundliche, zartfühlende, vergebende Liebe Gottes, erlebe ich täglich.

Wenn mein Gegenüber ein von mir achtlos herausgeschleudertes Urteil nicht zu einer großen Sache werden lässt. Wenn ich eine E-Mail bekomme, in der genau die Worte stehen, die ich gerade brauche, obwohl der Absender das gar nicht wissen konnte. Wenn ein Gedanke der Sorge in meinem Kopf unvermittelt von einem Gedanken an etwas Schönes abgelöst wird.

Gottes Barmherzigkeit! Oft bemerke ich sie gar nicht. Aber ich will heute, am 8. Mai, mal auf sie achten. Vielleicht kann ich dann heute Abend beim Schlafengehen sagen: „Ja, heute ist mir Barmherzigkeit widerfahren!“