Schutzlose Liebe

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# Angesagt!

Schutzlose Liebe

Kreuzwege – Menschen begegnen Jesus. Es sind viele in der kurzen Zeit seines öffentlichen Auftretens. Manche drängen sich auf, andere werden zu ihm gebracht und zu manchen geht Jesus selbst. Jesus von Nazareth hat schutzlos gelebt, von Anfang an und sein Leben lang, bis zum Schluss.

Seine Schutzlosigkeit – so verstehe ich sie – bedeutete zum einen Zugänglichkeit. Weil Jesus unter Menschen lebte und das Leben mit ihnen teilte, offen für ihre Nöte. Egal, wie reich oder arm diese Menschen waren, wie alt oder jung, wie gebildet sie waren oder woher sie kamen. Und diese Schutzlosigkeit bedeutete außerdem Sichtbarkeit. Man kannte ihn, wusste, wo er zu finden war, wusste, wofür er steht. Er war angreifbar, weil er sich zur Debatte stellte. Man kannte sein Gesicht, seine Meinung. Er hat seine Liebe nicht versteckt.

Sichtbarkeit und Zugänglichkeit führten ihn immer weiter fort aus der Provinz. Von Galiläa im Norden nach Judäa im Süden. Und schließlich in die große Stadt Jerusalem. Wäre er auf dem Land geblieben, hätte die Geschichte anders ausgehen können. Ja, auch auf dem Land war er aufgefallen, aber dort war er nicht weiter gefährlich gewesen. Spinner gibt es immer mal wieder. Idealisten auch.

Aber dann hatte er eines Tages gesagt: Kommt, wir gehen hinauf nach Jerusalem! – Was  sich in unseren Ohren anhört wie ein normales Reiseziel, muss in den Ohren derer, die Jesus damals folgten, anders geklungen haben. Jerusalem. Ort der Geschichte. Dort wird es eng. Dort saßen die Mächtigen. Die römische Besatzungsmacht und die religiöse Elite des Landes. Finanzhoheit, Wirtschaft, Militär, Gerichtsbarkeit, Kontrolle, Machtzentrale. Denen darf man nicht ins Gehege kommen. Ja, es wurde enger. Und Jesus liebte weiter.

Man bespitzelte ihn. Beobachtete jetzt genau. Pläne, ihn verschwinden zu lassen. Verabredungen hinter seinem Rücken. Anordnungen von höchster Stelle: Behaltet den Unruhestifter im Blick! Bestechung. Falsche Zeugen. Es wurde gefährlich für Jesus. Er aber liebte weiter. Und die Menschen erkannten Gott in ihm. Er war so menschlich, dass es göttlich war! In einzigartiger Weise. Sie erlebten seine Art und merkten, Jesus offenbart uns etwas von Gott. Jesus macht durch seine Schutzlosigkeit nicht nur sich selbst sichtbar und zugänglich, er macht auch Gott sichtbar und zugänglich. Gott ist zugänglich. Eine Lücke im System, eine Tür in der Mauer, ein Fenster zum Himmel. Das störte die Gnadenlosen. Die, die immer ganz genau wissen, wer dazugehört, wer rausgeschmissen wird, wer es eh nicht schafft, wer nicht gut genug ist.

Gott wird sichtbar für uns. Und er gibt sich in unsere Hände. In Jesus verzichtet er auf alle Gewalt. In Jesus, dem Menschen aus Nazareth, rüstet Gott ab. Er droht nicht mit Gewalt. Er liebt und macht sich angreifbar. Das ist entwaffnend. Das zeigt: Lieben heißt, sich nicht zu verstecken. Sondern da zu sein für andere.

Als man Jesus schließlich verhaftete, hat er sich nicht gewehrt. Sondern hat auch in diesem Moment noch konsequent auf Schutz verzichtet. Die Mächtigen behandelten ihn wie einen Gewaltverbrecher. Wie einen, von dem man äußersten Widerstand erwarten muss. Es wurde kurzer Prozess gemacht. Urteil: Gotteslästerung! – Tod.

In Jesus sehen wir einen Gott, der von den Mächtigen als „gott-los“ verurteilt wurde. Ein Gott, der diesen Vorwurf nicht widerlegt hat, sondern so hat stehen lassen. Der es ablehnte, sich zu wehren. Der auf die natürliche Reaktion verzichtete, zurückzuschlagen, wenn man angegriffen wird. Ein Gott, der nicht drohte. Ein Gott, der durch seine Schutzlosigkeit sichtbar und zugänglich wurde. Ein Gott, der liebend am Kreuz stirbt. Solch ein Gott ist lächerlich. Darüber kann man nur spotten. So etwas kann man nur ablehnen, den Kopf schütteln und sich abwenden. Oder man bleibt fasziniert stehen und lässt sich schutzlos lieben.

Ihr
Stefan Jankowski



(Foto. Birgit Weichmann)

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