02/07/2024 0 Kommentare
Sind Sie eigentlich mit sich zufrieden?
Sind Sie eigentlich mit sich zufrieden?
# Pfarrer Domanski meint ...
Sind Sie eigentlich mit sich zufrieden?
Sind Sie eigentlich mit sich zufrieden? Nein? Dann willkommen im Club! Ich denke, viele beantworten diese Frage in ihrem Herzen mit "Nein" oder "Oft nicht". Und auch die, die im großen und ganzen mit sich zufrieden sind, kennen alle das Gefühl.
Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, nicht mit sich zufrieden zu sein. Da ist zum einen das Aussehen: Die Nase ist zu groß, die Hüften zu breit, der Bizeps zu klein und die Falten zu gut zu sehen. Eine ganze Industrie lebt davon, dass wir uns nicht wohl fühlen in unserer Haut und mit unserem Aussehen nicht zufrieden sind. Mit Cremes für den Tag und die Nacht, Trenndiäten und Wellnessprogrammen, Fitnesscentern und Schönheitsoperationen, verspricht sie, unser Aussehen zu verbessern, und dafür zu sorgen, dass Mutters Hände nicht mehr von den Händen der Freundin zu unterscheiden sind. Der Erfolg ist meistens bescheiden, die Unzufriedenheit bleibt.
Das Problem liegt tiefer. Unter der Haut sozusagen. Gelegentlich trifft man Menschen, die alles andere als hübsch sind, und die doch eine solche Lebendigkeit und Herzlichkeit ausstrahlen, dass sie einfach wunderschön sind. Wahre Schönheit kommt von innen, sagen wir - bloß da helfen keine Tiegel und Cremetöpfe und auch keine Schönheitsoperationen. Und genau das ist das Problem. Wenn sich unsere Unzufriedenheit nur auf Äußeres beschränken würde, könnten wir wahrscheinlich gut damit leben. Aber oft sind wir nicht nur mit unserem Aussehen, sondern mit uns selbst unzufrieden. Wir sind nicht gut genug, nicht schnell genug, nicht klug genug, nicht selbstbewusst genug, nicht freundlich oder cool genug. Und wenn wir uns umsehen, finden wir immer jemanden, der besser, klüger oder schöner ist. Und auch wenn andere sagen, dass wir etwas können oder gut gemacht haben, trauen wir dem oft nicht. Schließlich kennen wir uns besser als die anderen, sehen unserer Fehler ganz genau.
Nie gut genug zu sein - dass hat auch in der Kirche eine lange und traurige Tradition. Gott als der strenge Richter und wir als die ewigen Versager. Das ist, Gott sei Dank, heute nicht mehr so. Dafür sind wir jetzt oft unsere eigenen Richter – ohne Aussicht auf Begnadigung.
"Wenn uns unser Herz auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz und erkennt alle Dinge." So steht es im ersten Brief des Johannes. Ein wunderbarer Satz, finde ich. Es gibt einen, der alles weiß, der unsere ganzen Fehler und Macken sieht, alles, wo es nicht gereicht hat, auch unsere Unzufriedenheit - und der uns doch nicht verurteilt sondern in die Arme schließt, und uns eine Liebeserklärung macht. Uns, die wir doch nie gut genug sind.
Ein paar Zeilen vorher schreibt der Autor des ersten Johannesbriefes: "Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder, aber es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden, wenn es aber offenbar wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist." Salopp könnte man übersetzen: Es ist noch nicht 'raus, was aus uns noch alles wird. Gott hat uns jetzt schon adoptiert, aber er hat noch viel mit uns vor. Und am Ende des Weges werden wir ihm ähneln und ihn erkennen, wie er wirklich ist.
"Gott ist die Liebe." Auch dieser Satz steht im ersten Johannesbrief. Und wenn wir uns auf seinen Weg einlassen, wir werden ihm immer ähnlicher, bis wir ganz verstehen werden, was das heißt: Gott ist die Liebe.
Uns hat er dafür ausgesucht, Sie und mich, und unsere ganzen Macken und Fehler, unsere Nörgelei unsere Zweifel und Unzufriedenheit schrecken ihn nicht ab. Seine Liebe ist größer als unserer Herz, dass uns verurteilt, und er hat noch viel mit uns vor.
Wenn wir uns auf den Weg der Liebe einlassen, werden wir feststellen, dass vieles von dem was unzufrieden sein lässt verschwindet – oder nicht mehr so wichtig ist. Wahre Schönheit kommt von innen. Willkommen im Club.
Ihr
Pfarrer Jean-Otto Domanski
Kommentare